Jobguide ENGINEERING_LIFE SCIENCES_d0322
Porträt Bundesamt für Verfassungsschutz Der Dienst. Hanau, Februar 2020. Um kurz vor 22 Uhr fallen Schüs- se in zwei Shisha-Bars in der Innenstadt. Darauf flüchtet der Täter mit seinem Pkw und erschießt weitere Personen, bevor er sich und seine Mutter tötet. Insgesamt sterben neun Menschen mit Migrationshin- tergrund, fünf Personen werden zum Teil schwer verletzt. Das Beken- nerschreiben des 43-jährigen Deutschen lässt neben einer psychischen Erkrankung auf ein rechtsextremistisches, antisemitisches und von Verschwörungsideologien geprägtes Weltbild schließen. Solche rechtsextremistischen Attentate passieren nicht einfach so. Sie sind das Resultat einer Lageverschärfung, die hervorgerufen wird durch die Vernetzung diverser Akteure und eine enthemmte Sprache und Hetze im Internet und in der Realwelt. Rechtsextremismus ist eines von vielen Themen, mit denen sich das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beschäftigt. Aber die Aus- prägungen des Extremismus und Terrorismus sind vielfältig, und so müssen auch die Aktivitäten des BfV breit ansetzen. Nicht lange nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Verabschiedung des Grundgesetzes installierte der Bund drei Nachrichtendienste als Sicherheitsberater der Bundesregierung und Dienstleister der Demokratie. Als erster Dienst entstand am 7. No- vember 1950 das Bundes- amt für Verfassungsschutz (BfV), dessen Aufgabe als Inlands-Nachrichtendienst es ist, unter anderem In- formationen über Bestre- bungen gegen die freiheit- lich demokratische Grundordnung zu sammeln und auszuwerten, Spionage abzuwehren und Wirtschaftsschutz zu betreiben. Diese Aufgaben wurden damals im Bundesverfassungsschutzgesetz nieder- gelegt und das Amt dem Bundesinnenministerium unterstellt. Etwas später, 1956, konstituierten sich dann noch der Bundesnachrich- tendienst, der dem Bundeskanzleramt untersteht und zuständig ist für die Auslandsaufklärung, und im gleichen Jahr der militärische Abschirmdienst BAMAD, der dem Bundesverteidigungsministeri- um nachgeordnet ist und seine Aktivitäten schwerpunktmäßig auf Deutschland ausrichtet, aber auch bei Auslandseinsätzen der Bundes- wehr unterstützt. Entsprechend der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland entstanden neben dem Bundesamt für Verfassungs- Merianstraße 100_50765 Köln_02 21-7 92-0 _www.verfassungsschutz.de Jobguide schutz auch noch Landesbehörden für Verfassungsschutz, die jedoch keineswegs als Landesableger des BfV zu verstehen sind und diesem auch nicht nachgeordnet. Sie unterstehen den Innenministerien der jeweiligen Länder und agieren somit grundsätzlich unabhängig vom BfV. Dennoch sind Bundes- und Landesämter verpflichtet zur Zu- sammenarbeit und auch darauf angewiesen. Die Zusammenarbeit findet zum Beispiel im Rahmen des Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrums (GETZ) statt, in dem Analytiker, Aus- werter, Beschaffer und Berichterstatter der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern auf Gefahren für die innere Sicherheit reagieren. Seit 15. November 2018 ist Thomas Haldenwang Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der bereits seit Sommer 2013 Vi- zepräsident des Amtes war. Aufgaben. Im Rechtsextremismus geht es um ein autoritäres Staats- verständnis nach dem „Führerprinzip“ ohne Gewaltenteilung. Die vielen verschiedenen Formen sind eine Melange aus nationalistischen, antisemitischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Ideologien, die sich gegen das Grundgesetz richten, Nazi-Gedankengut verherrlichen und dem Antisemitismus anhängen. Unverändert hoch ist nach Aussage von Verfassungsschutzpräsi- dent Thomas Haldenwang auch die Bedrohung durch den islamis- tischen Terrorismus. Dieser hat eine soziale und politische Ordnung auf Basis des Korans zum Ziel, also eine „gottgewollte“ Ord- nung, die aber nicht vereinbar ist mit Prinzipien des Grund- gesetzes wie Volkssouveränität, Trennung von Staat und Reli- gion, freier Meinungsäußerung und Gleichberechtigung. Eine besondere, seit Jahren wachsende Strömung des Islamismus bilden die Salafisten, die den Anspruch erheben, die „einzig wahren“ Muslime zu sein. Eine besondere Gefahr geht international von Jihadisten wie dem Islamischen Staat (IS) und Al-Qaida aus, weil sie Ter- ror als Hauptmittel ansehen in ihrem Kampf gegen „Ungläu- bige“ und „korrupte Regime“ sowie für einen „Gottesstaat“. In der Internetpropaganda der Jihadisten steht Deutschland weiter im Fadenkreuz und inspiriert insbesondere allein han- delnde Personen, die bei Anschlägen mitunter Unterstützung erhalten aus dem Ausland. So können nach Einschätzung des BfV islamistische Anschläge wie in Wien, Nizza und Paris (im Herbst 2020) auch bei uns nicht ausgeschlossen werden. Das zeigen die Attentate in Dresden, Berlin und Waldkraiburg. Der „antifaschistische Kampf“ der Linksextremisten ist darauf ausgerichtet, unter Personen, die als „rechts“ ausge- macht werden, ein Klima der Angst zu erzeugen. Das Ziel ist, an Stelle der demokratischen Staats- und Gesellschaftsordnung eine sozialistische, kommunistische oder herrschaftsfreie, anarchistische Gesellschaft zu etablieren. Darüber hinaus sammelt das BfV aber auch Informationen über in Deutschland agierende extremistische Organisationen aus dem Ausland, die ihre „Mutterorganisationen“ in den Herkunftsländern bei politischen, sozialen oder ethnischen Konflikten von Deutschland aus unterstützen. Dominant sind dabei türkische Organisationen, sowohl die PKK, die in der EU als Terrororganisation eingestuft ist und hierzulande auch Guerilla-Kämpfer rekrutiert, als auch andere links- und rechts- extremistische Organisationen aus der Türkei, die sich opportunitäts- Jobguide Chancen für Junior Professionals ++ Hochschulabsolventen ++ Abschlussarbeiten – Werkstudenten – Studentische Praktikanten – Azubis/Duales Studium ++ Schul-Praktikanten – Ingenieure ++ Informatiker ++ Mathematiker ++ Physiker ++ Juristen + Politologen + Wirtschaftswissenschaftler + Sprachwissenschaftler + bezogen mal mit Links-, mal mit Rechtextremisten aus Deutschland verbünden. Aber es gibt auch separatistische Bewegungen aus anderen Län- dern, die das BfV beschäftigen, und bei denen immer die Gefahr besteht, dass Konflikte zwischen einzelnen Gruppierungen nach Deutschland getragen werden und hier zu Gewalt führen. Wenig bekannt in der Öffentlichkeit ist die BfV-Aufgabe des so- genannten „personellen und materiellen Geheim- und Sabotageschut- zes“. Dabei gilt es, Informationen und Vorgänge, die nicht öffentlich bekannt werden dürfen, vor Unbefugten zu schützen, weil sonst die Sicherheit oder die Interessen des Bundes gefährdet wären. Dies kann auch Personen betreffen, die mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten befasst sind, oder den Schutz von kritischen Infrastrukturen vor Sa- botage betreffen, also etwa die Energie- und Wasserversorgung, Infor- mationstechnik und Telekommunikation – somit Einrichtungen, die notwendig sind für Gesundheit und Leben der Bevölkerung. In dieses Aufgabenfeld ist auch der präventive Schutz der Wirt- schaft und Wissenschaft vor Wissensdiebstahl einzuordnen. Denn deutsches Wissen, deutsche Patente und die Ergebnisse deutscher For- schung sind in der Welt begehrt. Die Aufklärung solcher Verdachtsfäl- le von Spionage und Sabotage bezeichnet Michael Niemeier, der Vi- zepräsident des Verfassungsschutzes, als eine der „Kernkompetenzen des Verfassungsschutzes“. Am ehesten aus Kino-Thrillern bekannt ist vermutlich die Abwehr von Spionage und sogenannter Proliferation, also der Weiterverbrei- tung aller Arten von Massenvernichtungswaffen. Bei der Spionageab- wehr geht es darum, dass sich fremde Nachrichtendienste Informati- onen verschaffen, illegitim Einfluss nehmen, sich illegal Waffen und Know-how beschaffen, sei es zur Wirtschaftsspionage, Sabotage oder umTerrorakte, Entführungen und Tötungsdelikte zu planen. Die Spi- onageabwehr des BfV deckt diese geheimdienstlichen Aktivitäten auf und arbeitet dazu auch international eng mit Sicherheits- und Straf- verfolgungsbehörden zusammen. Der Aktionsradius ausländischer Nachrichtendienste hat sich al- lerdings durch die Digitalisierung deutlich erweitert. So versuchen Staaten durch Desinformation und die „Schlacht der Narrative“ die
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