Jobguide MASCHINENBAU_ELEKTRO_ENERGIE_d322

Company Maschinen- und Anlagenbau Welchen Unterschied kann eine Tausendstelsekunde machen? Schon ein menschlicher Wimpernschlag dauert etwa hundert Mal länger. Doch Ingenieuren, sagt der VDMA, Sprachrohr des Maschinenbaus in Deutschland, eröffne diese Winzigkeit völlig neue Welten. Denn die kommenden 5G-Mobilfunknetze übermitteln Daten etwa hun- dert Mal schneller als LTE. Dadurch können Menschen, Maschinen, Sensoren, Geräte und IT-Systeme drahtlos und in Echtzeit miteinan- der kommunizieren. Für die Industrie, sagt der Branchenverband, löse dies drei große Probleme: Noch sei die Datenübertragung in der Produktion vielfach zu langsam, die Datenraten zu niedrig und die Verfügbarkeit (Res- ilienz) zu gering. Es ist die Tausendstelsekunde, die entscheidet, ob der Bestückungsautomat extrem präzise zielt, ob der autonome Robo- ter passgenau zuarbeitet, ob fahrerlose Transportsysteme blitzschnell auf Hindernisse reagieren oder präzise Echtzeit-Ortungen schnellste Hochregallager ermöglichen. Der VDMA ist überzeugt, dass der mittelständische Maschi- nen- und Anlagenbau in Deutschland und Europa spürbar von 5 G profitieren wird, weil dieser Mobilfunkstandard die Umsetzung der vernetzten Produktion in weit größerem Maße erlaubt als bisher. Dies betrifft nicht nur Just-in-Time Verfahren, sondern auch die voraus- schauende Wartung und Instandhaltung (Predictive Maintenance). 5G ist nur eins der großen Zukunftsthemen, die den Personalbe- darf des Maschinen- und Anlagenbaus potenziell weiter anheizen könnten. Fast 200.000 Ingenieurinnen und Ingenieure, ermittelte der VDMA, waren Ende 2019 in der Branche beschäftigt – ein neuer Re- kord und 9.200 Stellen mehr als drei Jahre zuvor. „Wir sind die Num- mer eins als wichtigster Ingenieurarbeitgeber und damit die ‚Innovati- onsmaschine‘ in Deutschland“, kommentiert VDMA-Präsident Carl Martin Welcker. Auch der Ingenieuranteil an allen Beschäftigten der Branche hat erneut zugenommen und beträgt jetzt 17,1 Prozent, so- viel wie noch nie seit Beginn der Erhebung im Jahr 1955. Die Studie dess VDMA zeigt, dass 54 Prozent der über 300 be- fragten Unternehmen bis 2024 von einer weiteren Zunahme an In- genieuren in ihrem Unternehmen ausgehen. Dabei geht es zum einen darum, ausscheidende ältere Mitarbeiter zu ersetzen (45 Prozent), zum anderen aber auch um den Aufbau neuer Stellen (40 Prozent). Qualitativ ändert sich dabei jedoch auch etwas. Bereits zwischen 2016 und 2019 hatte sich die Zahl der Unternehmen, die geeignete Fachkräfte zum Thema Industrie 4.0 suchten, auf 30 Prozent verdop- pelt. Und diese Nachfrage nach Zusatzqualifikationen aus angren- zenden Fachgebieten dürfte sich noch verstärken, etwa nach Maschi- nenbau- und Elektroingenieuren mit IT-Kenntnissen. 66 Prozent der Unternehmen suchen in Zusammenhang mit Industrie 4.0 vor allem Informatiker. Jeder zweite Ingenieur ist im Bereich der Forschung, Entwicklung und Konstruktion beschäftigt. Foto: Fotohansel/Fotolia Auf ins vernetzte Industriezeitalter Wachstumsthemen hat der deutsche Maschinen- und Anlagenbau genug: 5 G, Künstliche Intelligenz und die Ära der neuen Mobilität bringen jede Menge Potenzial. Und folglich steigt der Bedarf an Ingenieuren seit Jahren – vor allem solchen mit IT-Kompetenz. Doch die Corona- Krise und das Wettbewerbsgebahren der Chinesen machen der Branche Kopfschmerzen. [ Künstliche Intelligenz wird absehbar zu Nachfrage nach Ingenieuren führen, die die Prozesse beherrschen. Noch Ende 2019 klagten die Unternehmen der Branche über ei- nen Bewerbermangel, der sich weiter verschärft habe und sich zu einer Innovationsbremse auswachsen könne, weil Stellen teils nur sehr zeit- verzögert besetzt werden könnten. Doch das war vor Corona. Wenn die Welt die Krise überstanden haben wird, werden voraus- sichtlich aber die langfristigen Trends wieder in den Vordergrund tre- ten, die für Chancen im Geschäft und für Nachfrage nach Bewerbern sorgen. Zu diesen Trends gehört neben 5G ganz sicher der Wandel der Mobilität. Denn Hybridisierung und Elektrifizierung nehmen Fahrt auf, ebenso wie die Entwicklung decarbonisierter, synthetischer Kraft- stoffe. Dabei liefert der Maschinenbau für den Mobilitätssektor die Produktionstechnologien für konventionelle und elektrische An- triebe, für Stromspeicher sowie für alternative Kraftstoffe. Auch vom Rohstoffabbau über die Aufbereitung bis hin zum Recycling ist der Maschinenbau gefragt. Im Bereich der mobilen Maschinen, also etwa Land- und Baumaschinen sowie Gabelstapler, ist der Maschinenbau selbst Anwender innovativer Antriebstechnologien. Für den Maschi- nenbau kann der Antrieb im Wandel daher ganz klar ein Wachstums- geschäft sein. Was die Branche zusätzlich noch umtreibt, ist das Thema Künst- liche Intelligenz (KI). Dabei setzen Maschinenbaubetriebe insbe- sondere auf die Technik des „Machine Learning“. Denn mit Hilfe Künstlicher Intelligenz werden Menschen zukünftig noch enger mit Maschinen zusammenarbeiten. Sie sorgt dafür, dass Maschinen die Bedürfnisse der Menschen und der Prozesse immer besser erkennen und darauf eingehen. So können beispielsweise einfache monotone Arbeiten in Zukunft besser durch KI-basierte Lösungen ausgeführt oder unterstützt werden, etwa das Prüfen von Rechnungen oder Qua- lität in der Produktion. Das wird absehbar zu mehr Nachfrage nach Ingenieuren und Informatikern führen, die diese Systeme entwickeln und zur Produktreife bringen. Zudem suchen Unternehmen nach Fachkräften und Ingenieuren, die die jeweiligen Prozesse beherrschen, denn KI kann immer nur in Symbiose mit vorhandenem Prozesswissen funktionieren. Der Ein- satz von KI-basierten-Lösungen, sagt der VDMA, ersetze nicht den Menschen im Maschinenbau, sondern verlange nach ihm als Trainer beziehungsweise Manager. Die Weiterbildung in diesem Themenfeld spielt daher eine entscheidende Rolle. KI-Kompetenz wird nicht nur von IT-Spezialisten und Programmierern verlangt, sondern von Be- schäftigten aller Funktionen, Ebenen und Fachbereiche. Welche Bedeutung Machine Learning für den Maschinenbau hat, zeigt eine aktuelle Umfrage des VDMA. Danach haben rund 46 Pro- zent der Teilnehmer schon KI-Lösungen im Einsatz. Genutzt wird Machine Learning vor allem in der Konstruktion und Entwicklung (14 Prozent), im Kundendienst (13 Prozent), in der Produktion (13 Prozent), im Rechnungswesen und Controlling (10 Prozent) sowie im Condition Monitoring (13 Prozent) und für Remote Services (13 Pro- zent). Zudem planen die befragten Unternehmen in den kommenden drei Jahren den Einsatz in den Prozessen und Produkten deutlich zu verstärken. Bis 2022 will mehr als die Hälfte der Firmen Machine Learning im Kundendienst einsetzen. Nachdem 2019 globale Handelskonflikte, das Brexit-Drama und der Strukturwandel in der Autoindustrie die Geschäfte des Maschi- nen- und Anlagenbaus belastet hatten, ist die deutsche Schlüsselbran- che im Januar 2020 mit Schwung und einem Auftragsplus von sieben Prozent in das Jahr gestartet. Als dann die Corona-Krise in China ausbrach, war die Branche auch in Deutschland sofort betroffen, weil China Deutschlands wichtigster Lieferant von Komponenten und Teilen ist und die Lieferkette unterbrochen war. Im März traf der Vi- rus die Branche dann auch hier in Deutschland – mit Langfristfolgen, die noch nicht abzusehen sind. Ohnehin kämpft der deutsche Maschinen- und Anlagenbau zunehmend mit China. Die Volksrepublik ist einerseits einer der wichtigsten Auslandsmärkte. Doch gleichzeitig klagen die deutschen Maschinenbauer über unfairen Wettbewerb, der durch staatliche För- derung und Abschottungsmechanismen Pekings verursacht wird. Die Branche klagt, dass der technologische Vorsprung der deut- schen Hersteller gegenüber den immer stärker werdenden Konkur- renten aus der Volksrepublik schmilzt. „China ist in vielen Bereichen kein Entwicklungsland mehr“, sagte Ulrich Ackermann, Leiter der VDMA-Außenwirtschaft. „Deshalb müssen für China die gleichen internationalen Handelsregeln wie für Deutschland oder die EU gel- ten.“ Die EU müsse ihre Fusionskontrolle lockern, um gezielt „euro- päische Champions“ zu schaffen. Annette Eicker

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