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MALTA
Der kleinste Mitgliedstaat der EU kam groß raus, als sich Anfang Februar
die Regierungschefs der 28 Mitgliedsländer hier versammelten.
Darunter zum letzten Mal Mrs. May als Vertreterin des Vereinigten Königreiches in der EU.
Nicht nur die Sprache ist einmalig
Man hat den Archipel auch als „punischen Außenposten“ inmitten
Europas bezeichnet. Wissenschaftler sind sich nicht sicher, ob Hanni-
bal tatsächlich das heutige Malti verstanden hätte. Schließlich färbte die
Zuwanderung sizilianischer Adelsfamilien, die Beschlagnahme durch
französische Johanniter und die Besetzung durch die Briten stark auf
den Wortschatz ab. Jedenfalls ist Malti heute eine der Amtssprachen
in der EU. Als einzige semitische Sprache wird Maltesisch mit lateini-
schen Buchstaben geschrieben.
Auch der Name der Hauptinsel gibt Rätsel auf. Für die alten Grie-
chen leitet sich Malta von
Melite
ab, was Honiginsel bedeutet, er könnte
aber auch auf die punische Bezeichnung für einenZufluchtsort
malet
zu-
rückgehen. Tatsächlich bezogen Griechen und Römer größere Menge
Honig von den Maltesern.
Frühe Eisenbahnen
Erstaunlich, dass ein Land, das erst seit 1964 einen eigenen Staat bil-
det, auf eine der ältesten Kulturen der Menschheit zurückblicken kann.
Bereits 3800 v. Chr. ragten hier gewaltige Tempelanlagen der Großen
Mutter der Fruchtbarkeit in den Himmel. Und das in großer Zahl für
die höchstens 1.600 Einwohner. Sie wurden zumeist auf Anhöhen in
Form eines Kleeblattes errichtet. Manchmal baute man zwei oder drei
Tempel aneinander. Mauern, Portale und Gewölbe sind aus großen
Steinquadern gefügt und zeigen die verschiedensten Ornamente. Aus
dem Hypogäum kam die über 4.000 Jahre alte wunderbare Terrakotta-
figur der Schlafenden Frau ans Licht.
Die erstaunlichsten Spuren der prähistorischen Zeit bilden die
„Doppelgleise“. Sie sind in Wagenspurbreite aus dem Felsen gemeißelt
und durchziehen wie Schienen die Insel, ein Phänomen, das es kein
zweites Mal auf der Welt gibt. Sie dienten Fuhrwerken, mit denen in
der wasserarmen Zeit das kostbare Nass über die Insel verteilt wurde.
Kreuzweg der Handelsstraßen
Etwa um 800 v. Chr. wurden die Inseln Teil der punischenWelt und
profitierten als Handelsstützpunkte von ihrer vorgeschobenen Lage.
Nun betete man zu Melkart, Tanit und Astarte. Auch diese Epoche
hinterließ markante Spuren, so die Inschriften mit griechischen und
phönizischen Texten, mit deren Hilfe man das punische Alphabet ent-
ziffern konnte.
Wachsenden Wohlstand brachten die Römer, die hier Reparatur-
werften für ihre Kriegs- und Handelsschiffe betrieben. Hier wurde
wohl auch das Schiff des Paulus repariert, das in einem Sturm schwer
mitgenommen wurde. Für den arg gebeutelten Völkerapostel war dies
die Gelegenheit, erste Anhänger zu rekrutieren.
Nach dem Fall des römischen Imperiums waren die Inseln kurz Teil
des Reiches der germanischen Vandalen, bevor sie um 900 von den
Jüngern des Propheten Muhammed besetzt wurden und ihre Religion
dort einführten. Allerdings brachten sie die Baumwolle mit, die fortan
Maltas wichtigster Exportartikel wurde. Auffällig ist, wie viel arabische
Ortsnamen man auf Malta und Gozo findet. Das Ende der muslimi-
schen Vorherrschaft kam mit den Normannen und Staufern.
Süleyman beißt sich die Zähne aus
Als 1525 der Johanniterorden aus Rhodos vertrieben wurde, fand er
auf Malta eine neue Bleibe und bestimmte nun für fast 300 Jahre die
Geschichte der Insel. Das passte den Osmanen nicht, deren Anfüh-
rer Sultan Süleyman I. vergeblich versuchte, die Ritter zu vertreiben.
Neben der erfolglosen Belagerung von Wien war Malta die zweite Nie-
derlage im Kampf gegen das christliche Europa. Nun mussten sich die
Malteser vorsehen und bauten unter demGroßmeister Jean de la Valette
gewaltige Trutzburgen. Dabei wurde der Orden, der sich inzwischen
„Malteserorden“ nannte, vom europäischen Adel unterstützt. Die Mal-
teser setzten nun noch eins drauf und schickten in der Seeschlacht von
Lepanto 1571 viele osmanische Galeeren auf den Grund des Meeres,
der absolute Höhepunkt der maltesischen Geschichte.
Die Hauptstadt La Valetta hat ihren Namen nach dem einstigen
Großmeister, dessen Palast die wichtigste Attraktion der Stadt bildet.
Sir Walter Scott bezeichnete La Valetta als „wunderbaren Traum“. Ein
richtiges Freilichtmuseum bildet die Mdina, die „schweigende Stadt“:
arabische Wehrmauern, die christliche Kathedrale und die Paläste der
Ordensritter finden sich hier.
Im 16. und 17. Jahrhundert waren es italienische Maler wie Caravag-
gio, die Kirchen und Paläste mit ihren Malereien ausstatteten.
2018 ist La Valetta zur europäischen Kulturhauptstadt ernannt wor-
den. In diesem Zusammenhang finden in dem Jahr zahlreiche Veran-
staltungen statt.
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Foto: fotolia/zoltangabor
Foto: Michelangelo_Caravaggio_021_Public domain_Wikimedia Commons
Foto: fotolia/Anna
Foto: Malta_Kanzel der St. John’s Co-Cathedral_ A.Ocram_CC0_Wikimedia Commons
Foto: iStock/Jacob Wackerhausen
Altarbild Enthauptung Johannes des Täufers, 1608. Der
Künstler Caravaggio (1571 – 1610) suchte bei seiner Flucht
vor den päpstlichen Behörden, nachdem er in Rom einen
Mord begangen hatte, in Malta Zuflucht. Er wurde von
den Johannitern aufgenommen, und letztlich erhielt er sogar
die Vergebung vom Papst. Der berühmte und umstrittene
Maler schuf diverse Werke für den Orden, bis er schließlich
als „Ritter der Gnade“ selbst aufgenommen wurde. Sein
Aufenthalt auf der Insel wurde jedoch abrupt unterbrochen,
als er nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung im Fort
St. Angelo verhaftet wurde. Caravaggio konnte nach Sizi-
lien fliehen, war ab diesem Zeitpunkt jedoch bis zu seinem
Tod zwei Jahre später stets auf der Flucht.
Blick über die Stadtmauern von La Valetta, Haupt-
stadt der Republik Malta. Sie ist 2018 Kulturhauptstadt
Europas.
Städte
Kanzel der St. John's Co Cathedral.