

2018
HAMBURG
MEHR ALS DAS TOR ZUR WELT
Kein Wunder, dass die Hansestadt bei Schulfahrten immer beliebter wird.
Verbindet die Metropole doch in idealer Weise mittelalterlichen Gewerbefleiß
mit dem Hauch der großen, weiten Welt.
Hier tut sich was
Neben dem unsäglich verzögerten Hauptstadt-Flughafen und dem
heiß umkämpften Bahnhofsumbau von Stuttgart war es der Bau der
Hamburger Elbphilharmonie, der im deutschen Blätterwald für das
lauteste Rauschen gesorgt hatte. Ernsthafte Stimmen zweifelten daran,
dass der Umbau in der Nähe der Landungsbrücken je vollendet würde.
Das preisgekrönte Gebäude wurde im Januar feierlich eingeweiht
und das Eröffnungskonzert per Livestream in die ganze Welt übertra-
gen. Es war die Rede davon, dass der Bau über dem altehrwürdigen
Speichergebäude zum neuen Wahrzeichen der Hansestadt würde, doch
schon reifen neue Pläne. Ein 200 Meter hoher „Elbtower“ soll stolz
einen spannungsvollen Bogen zwischen Elbphilharmonie und Lan-
dungsbrücken schlagen. Vergessen die Tradition, dass kein Gebäude
am Elbufer den Michel-Turm (132 Meter) überragen darf. Doch liegt
der neue Gigant weit genug von der Innenstadt weg, außerdem soll er
als neues Wahrzeichen am südlichen Eingangstor die Fremden will-
kommen heißen.
Mit dem Schwaben Barbarossa fing es an
Dabei war es ein Schwabe, Kaiser Friedrich Barbarossa, der den
Hamburgern 1189 den Freibrief ausstellte, mit dem den Hamburgern
Zollfreiheit für ihre Schiffe auf der Elbe gewährt wurde. Dieser Start in
eine große Zukunft wird jedes Jahr am 7. Mai von mehr als einer Mil-
lion Besucher mit wachsender Begeisterung gefeiert. Von der Speicher-
stadt bis zumMuseumshafen Oevelgönne wird an mehreren Live-Büh-
nen (Hafen Rock) und diversen anderen Lokalitäten gefeiert. Einige
der größten Segelschiffe der Welt eröffnen die Feierlichkeiten mit einer
großen Einlaufparade. Legendär ist das beliebte Drachenbootrennen
auf der Elbe.
Auch junge Leute lieben die Romantik
Doch auch im normalen Alltag bietet die Stadt den jun-
gen Leuten geballt Spaß und Abwechslung. Eine Hafen-
rundfahrt steht meist an erster Stelle. Allein das Einlaufen
der gewaltigenOzeanriesen, das Kreischen derMöwen, das
Schnuppern der salzigen Briese vernetzt mit der großen weiten Welt.
Wenn sich auf dem Fischmarkt die Marktschreier mit wachsenden
Dezibel zu überbieten suchen, um Kunden zu locken, fühlen sich die
Binnenländer in eine andere Welt entrückt.
Auf ihren Spaziergängen wird ihnen klar, dass die Stadt mit mehr
als 2.500 Brücken über Fleete und Kanäle mehr Brücken besitzt als
Venedig, London und Amsterdam zusammen.
Zuerst auf den alten Michel
Den besten Überblick in wörtlichem und übertragenen Sinne ver-
schafft man sich auf dem Turm der 132 Meter hohen Michelskirche
oder schlicht Michel, seit Jahrhunderten Bezugspunkt für einfahrende
Seeleute. Seit 1600 dreimal aufgebaut und wieder abgebrannt. Wenn
der Türmer nach einem 300 Jahre alten Brauch morgens und abends
einen Choral auf seiner Trompete in die vier Himmelsrichtungen bläst,
fühlt sich der Besucher richtig mit der Geschichte verbunden. Geballte
Historie erwartet ihn auch in den Katakomben unter der Kirche.
Weitere historische Gebäude und Zeugnisse der Hamburger
Geschichte finden sich an den Ufern der Binnenalster. Amüsiert hört
man die Geschichte des Jungfernstiegs, an dem sonntags das Bürger-
tum ihre unverheirateten Töchter vorbeiführten, in der Hoffnung auf
eine gute Partie.
Geschichte auf Schritt und Tritt
Der Erfolg der Hansestadt hat viele Väter. Das lehrt ein Blick auf die
Fassade des Rathauses, von dem zwanzig Könige und Kaiser des alten
deutschen Reiches, von Karl dem Großen bis Franz II. grüßen. Über
ihren Häuptern zeigen sich die Allegorien der vier bürgerlichen Kar-
dinaltugenden: Tapferkeit, Frömmigkeit, Klugheit und Eintracht. So
soll gezeigt werden, dass die Freiheit der Stadt nicht von herrschenden
Monarchen, sondern ihrer eigenen Tüchtigkeit abhängt. In der Spra-
che der alten Römer steht über dem Eingang explizit: Libertatem quam
peperere maiores digne studeat servare posteritas. (Die Freiheit, die die
Väter erwarben, bewahre die Nachwelt in würdiger Form).
Von Zockern und Auswanderern
Der geeignete Ort, das kluge Handeln der Väter zu erleben, ist ein
Besuch in der ältesten Börse der Welt, gegründet im Jahr 1558 bei der
Trostbrücke, wo es bereits 1266 den „Platz der Geldwechsler“ gab.
Hier vertraten die „gemeenen Koopmanns
“
ihre Interessen und trafen
sich mit fremden Händlern, um über edle Tuche, Kaffee, Tee, Wein,
Getreide, Kredite und Versicherungen zu verhandeln.
Dass Hamburg einst für Millionen Menschen die Hoffnung auf eine
Städte
14
bessere Zukunft bot, zeigt ein Gang durch das Erlebnismuseum Ballin-
Stadt – das Auswanderermuseum Hamburg. In drei originalgetreu wie-
der aufgebauten Gebäuden können die Besucher die Geschichten von
Menschen nacherleben, die von hier aus nach Übersee auswanderten.
Musische Erlebnisse bieten die über 60 Theater der Stadt: Schauspiel,
Kabarett, Oper oder Musical. Angesagt sind im Moment die Welter-
folge „König der Löwen“, „Tarzan“ und „Ich war noch niemals in
New York“.
Seilmacher gaben dem Viertel den Namen
Bei der Reeperbahn denkt fast jeder sofort an das Vergnügungs- und
Rotlichtviertel im Stadtteil St. Pauli, wo einsame Seeleute ihren kargen
Sold durchbrachten. Tatsächlich erhielt das Viertel seinen Namen von
den Taumachern und Seilern, den so genannten „Reepschlägern“, die
für die Herstellung von Schiffstauen eine lange, gerade Bahn benötigen.
Eine Klassenfahrt wäre nicht vollständig ohne einen Ausflug in die
Umgebung. Hier bietet sich der Timmendorfer Strand an. In Sea Life
können Schulgruppen die heimischen und tropischen Lebensräume aus
nächster Nähe erleben und mit allen Sinnen erfahren.
15
1901 von Generaldirektor der Hapag, Albert Ballin, auf der Elbinsel Veddel als
Massenunterkunft für Tausende Auswanderer errichten und 2007 als Auswan-
derermuseum eingeweiht.
Die Elbphilharmonie ist ein 2016 fertiggestelltes Konzert-
haus in Hamburg. Sie wurde mit dem Ziel geplant, ein neues
Wahrzeichen der Stadt und ein „Kulturdenkmal für alle“ zu
schaffen. Architekten Jacques Herzog & Pierre de Meuron.
Die Münchner Allianz Arena trägt auch die Handschriften
der beiden Architekten.
Die historische
Speicherstadt und das
Kontorhausviertel seit
Juli 2015 UNES-
CO-Weltkulturerbe.
Sie stehen für die
Globalisierung des
Handels im 19. und
20. Jh.
Blick über St. Pauli
Landungsbrücke
Foto: Vallbracht
Foto: fotolia/NilsZ
Foto: iStock/bluejayphoto