Previous Page  16-17 / 48 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 16-17 / 48 Next Page
Page Background

16

2018

Partner vorOrt

Romantik in der Landwirtschaft?

Zur Zeit Luthers schufteten 60 Bauern, um einen Stadtbewohner zu

ernähren. Heute kann ein Bauer für fast 100 Städter das tägliche Brot

liefern. Der Preis dafür ist eine konsequente

Monokultur auf Kosten der Artenvielfalt und

der Nachhaltigkeit. Vögel wohnen längst nicht

mehr in den Büschen auf dem Land, weil es die

nicht mehr gibt. Ihr Zuhause sind die akkurat

gestutzten Hecken der städtischen Vorgärten.

Auf den Hightech-Höfen vertreiben gewaltige

Silos, in denen das einzige Produkt des Betriebes

gelagert wird, jede Spur von Romantik. So wird

das Bild eines Bauernhofes unseren Kindern nur

noch in frühkindlichen Bilderbüchern vermittelt

– und das ist falsch!

Die Italiener und ihre Cucina

Doch den Bauernhof wie in alten Zeiten – man findet ihn noch. In

Piano di Sorrento im Süden Italiens. Schließlich ist Italien das Land,

in dem auf eine hohe Qualität der Lebensmittel der höchste Wert ge-

legt wird. Zwar nehmen Billigprodukte auch hier einen immer größeren

Raum ein, doch sorgen Firmen und Institutionen für hohe Standards

in der Qualität der Lebensmittel. Was für die Halbinsel auch negative

Seiten hat: Überall in der Welt werden billigste Massenprodukte in den

Farben der Trikolore gepackt und gaukeln mit italienischen Aufschrif-

ten dem Verbraucher vor, es handele sich um „Made in Italy“.

Vor allem haben sich die Bewohner des Stiefels Möglichkeiten guter Er-

nährung erhalten. Jeder kennt einen contadino, also Bauern, dem er bei

der Arbeit zuschauen kann und mit dem er fachsimpeln kann. Ställe für

Mastschweine in kargen Buchten mit Spaltenböden wären undenkbar.

Auch Tiere, denen Hörner, Ringelschwänze, Schnäbel und z.T. auch

Zähne (ohne Betäubung) gekürzt werden.

Das Gut der Wassernymphe

Was uns zum Fondo Galatea führt. Schon der Name weist auf ural-

te Traditionen. In der antiken Mythologie war Galatea die Nymphe,

die an wasserreichen Bächen lebte. Und von dem im Süden kostbaren

Nass gibt es reichlich in dem Tal oberhalb von Piano di Sorrento. Zahl-

reiche Karstquellen sprudeln überall und ermöglichen einen Landbau

ohne jegliche Bewässerung. Diesen betreibt Franco mit seinen Söhnen

auf althergebrachte Art. Aber geht das überhaupt noch, wenn der Ver-

braucher – wie in Deutschland – höchstens ein

Zehntel seines Einkommens für die Verpfle-

gung aufwenden will?

Es geht – mit der richtigen Politik und natür-

lich mit Kompromissen. Und wenn – wie in

Süditalien – Menschen bereit sind, für wertvol-

le Lebensmittel etwas mehr zu bezahlen. Man

sieht es schon beim Betreten des Gutes: Statt

eintönige Reihen dichtgepflanzter Olivenbäu-

me tauchen wir ein in eine traditionelle Vielfalt

von Obst- und Gemüsesorten, Weinranken und

Tiergehegen. Auf die Frage, was hier angepflanzt wird, schüttelt Franco

den Kopf. Es ist einfacher festzustellen, was hier NICHT produziert

wird. Außer Mehl, Salz und Zucker findet hier selbst der anspruchs-

vollste Mensch, was er zum Leben braucht.

Landwirtschaft nach Art der Alten

Und da alle Erzeugnisse auf traditionelle Art kultiviert werden, braucht

man hier auch nicht zum Kunstdünger zu greifen. Mit der Monokultur

lädt man die Parasiten geradezu ein, sich breitzumachen. Aber es ist

auch klar, dass dafür ein Mehraufwand an Arbeit erforderlich ist. Wie

viel einfacher ist es, mit dem Traktor durch die Lücken im Spalierobst

zu fahren und dieses schließlich mit einem vollautomatischen Harvester

zu ernten.

Aber wie funktioniert Nachhaltigkeit? Auf der untersten Ebene

wächst das Gemüse: Brokkoli, Papri-

ka, Artischocken, Auberginen etc. Sie

brauchen nur wenig Sonne. In halber

Höhe glänzt das Grün der Agrumen,

Familienname für Orangen, Zitronen,

Mandarinen, Pampelmuse, Pomeran-

zen. Sie benötigen wiederum viel Son-

ne und Feuchtigkeit. Dazwischen ragt

gelegentlich ein alter Ölbaum auf, aber

mit gehörigem Abstand zum nächsten,

denn sein Wurzelwerk faßt die achtfache

Größe seines Laubwerks.

Darüber winden sich die Weinreben. Wo-

mit wieder klar wird, dass

vitis vinifera

eigentlich eine Rankpflanze ist. Der alte

Plinius erzählt uns, dass so die Römer ihre

Weine pflegten. Und um welche Rebe

handelt es sich? Franco zuckt wieder mit

der Schulter. Die, die schon immer hier

wuchs! Weinkenner sprechen von einer

autochthonen Sorte. Aber dieses Wort

ist Franco fremd, genauso wie der Begriff

„Bioprodukt“.

Ohne Kompromisse geht es

nicht

Und das alles ohne Kompromisse? Im Hof

steht eine 300 Jahre alte Olivenpresse aus

Holz. Kürzlich bot ein amerikanischer Tou-

rist $10.000 für das Gerät. Dabei könnte

heute niemand mehr dieses Gerät bedienen.

Zudem sind in der EU die Anforderungen

an die Hygiene stark gestiegen. Deshalb hat

sich Franco für die Verarbeitung des Öls

modernste Pressen undZentrifugen zugelegt.

Kompromisse muss es auch bei der Tier-

haltung geben. Unsere Schüler, die die Bil-

derbücher der Kindheit vor Augen haben,

erwarten, dass die Hühner überall auf dem

Gelände herumstolzieren. In diesem Falle

wären binnen weniger Minuten die liebe-

voll gepflegten Gemüsebeete von den (un-

gestutzten) Schnäbeln zerfetzt. Natürlich

leben die Tiere in Ställen und Käfigen, aller-

dings mit genügend Freiraum.

Der bitterste Kompromiss war aber die Ab-

schaffung des Bullen, der die Kühe persön-

lich beglückte. Für seine Tätigkeit waren die

Kosten einfach zu hoch.

Ansonsten bekommen die albaTours-Grup-

pen und andereGäste nur Produkte vomHof,

einschließlich Käse und Salami. Der Renner

ist aber die Mozzarella, die Gianbattista vor

den Augen der staunenden Gäste zaubert.

Die Geheimnisse der Treccia, so heißt

die Mozzarella hier, erklärt seine Cousine

Immacolata, die dafür extra Deutsch gelernt

hat. Dabei erfahren die jungen Leute, dass

man Mozzarella, ein Frischmilchprodukt,

nur am Tag der Herstellung verzehren sollte.

Pasteurisieren? Ein Unding!

Im Caseificio (von lat. caseum + facere) bearbeiten die Bau-

ern auch heute wie vor Jahrhunderten das Produkt noch von

Hand. Die einzigen technischen Hilfsmittel sind die Pumpen,

mit denen die Milch umgefüllt wird und die Geräte zur Erhit-

zung der Milch.

Zur Herstellung der Mozzarella wird nur Vollmilch verwendet.

Die Milch wird zunächst auf 35°C erwärmt. Dann wird das

Lab aus dem Kälbermagen (ital.

caglio

) beigegeben (sog. Einla-

ben). Dadurch gerinnt die Milch und es entsteht der sogenann-

te Bruch (ital.

sero

). Dabei wandeln die Milchsäurebakterien

den in der Milch erhaltenen Milchzucker zum Teil in Milchsäure

um; diese bindet die Gerüstsubstanz der Milcheiweißstoffe,

das Calcium, an sich, so dass das Gerüst zusammenbricht

und sich das Milcheiweiß (Kasein) als dickflüssige Masse in

der dünnflüssigen Molke absetzt. In dem ausgefällten Kasein

ist noch ein großer Anteil der Molke eingeschlossen. Durch

Schneiden des Bruches in kleine Würfel wird der Austritt der

Molke erleichtert.

Danach erfolgt die Reifung. Die Dauer beträgt je nach Außen-

temperatur 6-8 Stunden. Durch die Tätigkeit von Bakterien,

Hefen und Schimmelpilzen erhält der zunächst noch körnige

Käse eine speckig-plastische Struktur. Enzyme schließen die

Eiweißstoffe auf und machen sie für den menschlichen Orga-

nismus verdaulich. Der restliche Milchzucker wird zu Milch-

säure abgebaut, die dann ihrerseits weiter in andere Stoffe

umgesetzt wird.

Danach kommt diese Masse in heißes Wasser und durch Kne-

ten entsteht ein Teig. Dieser wird in Stücke geschnitten und in

die endgültige Form gebracht oder als Treccia gelegt. Die reine

Mozzarella wird Fior di Latte genannt.

Gängige Formen sind der Provolone, Cacciocavallo und die

geräucherte Scamorza.

17

Original-Rezept

Kein Thema beschäftigt die Menschen mehr als die richtige Ernährung.

Massentierhaltung und Monokulturen sind der Preis für günstige Lebensmittel.

Dass es auch anders geht, zeigt der Bauernhof Fondo Galatea in Süditalien.

albaTours-Gruppen lernen nachhaltige Landwirtschaft kennen.

ZURÜCK ZU DEN WURZELN

Die 300 Jahre alte Olivenpresse

Mozzarella

Immacolata heißt sie auf

dem Hof willkommen