Previous Page  12-13 / 48 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 12-13 / 48 Next Page
Page Background

12

13

2018

In der Toskana war man schon immer einen Schritt voraus. Während die christliche Welt

sich noch mit den sperrigen römischen Zahlen abquälte, führte hier ein Mönch, der gleichzeitig ein

genialer Mathematiker war, die indisch-arabischen Ziffern mit der genialen Null ein.

schen eines Staates zu Debitoren (lat. debere = schulden) wurden. Diese

Idee hatten die Griechen, die sämtlichen „Partnern“ in ihrem Attischen

Seebündnis, den „Zehnten“ für die Göttin Athena zwangsauferlegten.

Dafür ersannen ihre Kassenbuchhalter die Logisthai. Damit war die

Buchhaltung geboren, ohne die auch die kleinste Firma heute nicht aus-

kommt. Auch für Kaiser Karl den Großen war es wichtig zu erfassen,

was seine Krongüter und Reichshöfe so abwarfen. Dafür erstellte die

königliche Kanzlei sogar Musterformulare. Kanzleien kannten übri-

gens schon die Baumeister der romanischen Kathedralen. Damit diese

konzentriert und ungestört arbeiten konnten, zimmerten sie sich in der

Ecke des Kirchenbaus einen „Holzverschlag“. Genau das bedeutet das

Wort cancellus. Der Chef dieser Buchhaltung war der cancellarius, wo-

von unser Wort Kanzler abgeleitet ist.

Leonardo da Vinci und der Vater der

Doppelten Buchführung

Doch denDurchbruch brachte ein toska-

nischer Mönch mit der doppelten Buch-

führung. Diese war aber erst möglich,

weil ein Mann aus Pisa die indisch-ara-

bischen Zahlen eingeführt hatte. Le-

onardo Fibonacci, Rechenmeister aus

Pisa, hatte diese als Konsul in Algerien

bei den Muslimen abgeschaut. Konsuln

waren Leute, die sich in den Ländern, mit

denen man Handel trieb, gut auskannten.

Sie gaben den Kaufleuten, die nicht unbe-

dingt für die fremde Kultur offen waren, oft die

entscheidenden Tipps. Daher ihr Name Konsuln, von

lat. consulere = einen Rat geben. Sofort machten die Kaufleute sich

diese bequeme Art des Kalkulierens zunutze, trugen aber die Summe

mit römischen Ziffern in die oberste Zeile ein (summa = die oberste).

Sonst hätte man ja den Ungläubigen zugestanden, den Christen voraus

zu sein.

Da schon für die Baumeister der großen Kathedralen die Buchhal-

tung wichtig war, wundert es nicht, dass die Revolution in der Buch-

haltung aus der kirchlichen Ecke kommt. Schließlich mussten die Lie-

ferungen des Materials und die Abrechnung mit Künstlern, Arbeitern

und Fuhrleuten exakt dokumentiert werden. Luca Pacioli wurde 1470

Mönch des Ordens der Franziskaner. Dank seiner mathematischen Be-

gabung rief ihn Ludovico il Moro 1497 nach Mailand, wo er mit Leo-

nardo da Vinci zusammenarbeiten sollte.

Leonardo war bekanntlich ein schwieriger Typ, weshalb er seinem

Landesherrn die Gefolgschaft aufkündigte und nach Florenz ging. Nun

hielt es Luca Pacoli auch nicht länger und er ließ sich in Venedig nieder.

Dort schrieb er ein Buch über das Schachspiel (De ludo scachorum), für

das wohl auch Leonardo da Vinci Beiträge lieferte. Dieses Spiel war wie

die Zahlen von den Arabern aus Indien eingeführt worden. Nach einigen

weiteren sehr klugen Büchern über Mathematik und Algebra folgte das

Werk Tractatus de computis et scripturis (Abhandlung über das Rechnen

und Aufschreiben) mit den Grundlagen der Doppelten Buchhaltung.

In Europa kapiert man: Soll und Haben sind

immer gleich.

Die Idee war so einfach wie durchschlagend: Jeder Geschäftsvor-

gang wird in zweifacher Weise erfasst, jedoch auf verschiedenen Kon-

ten. Es wird zeitgleich jeweils genau der gleiche Wert im Soll und im

Haben gebucht.

Da das Buch sofort in viele Sprachen übersetzt wurde, verbreitete

sich die doppelte Buchführung sofort in ganz Europa. In Deutschland

firmierte diese Methode zunächst als „Venezianische Methode“. Der

Erfolg eines Unternehmens wird in der jeweiligen Bilanz des Vorjahres

mit der des aktuellen Jahres festgestellt. Bilanz kommt übrigens von ital.

Bilancia = Waage. Der Bestand auf den einzelnen Konten wird durch

das Ziehen von Salden ermittelt. Diese „fest“ zu stellen ist Aufgabe des

armen Buchhalters. Das ital. Saldo ist schließlich abgeleitet von lat. so-

lidus, was „fest“ bedeutet.

Und dann sage noch einer, Buchhaltung sei langweilig!

Städte

Gold statt Rindvieh

Gerade erleben wir wieder eine Revolution, die digitale, die letzte

in einer Reihe von Umwälzungen. Es war irgendwann im 6. Jahrhun-

dert v.Chr., als es den Menschen zu lästig wurde, alle Handelswaren

mitzuschleppen, um sie gegen ein passendes Produkt einzutauschen. So

hatten Kaufleute aus Lydien die Idee, statt Waren zu tauschen, Gut-

scheine in Form von Goldkügelchen auszugeben. Bald merkten sie, dass

die Goldkuller in ihren Beuteln zu viel Platz einnahmen und drückten

sie einfach flach. Nun brauchten sie nur noch ihr Logo einzuhämmern

und die Münze war geboren. Heute erinnert das englische Wort

fee

(Gebühr) daran, dass man früher Vieh tauschte. Ihr König war übrigens

der sagenhaft reiche König Krösus († um 541 v.Chr).

Kreditwürdigkeit

Auch dank der ausgeprägten Geldwirtschaft mit systematischer

Münzprägung konnte Rom sein Imperium über Europa ausdehnen. So

funktionierte das Verfahren fast zwei Jahrtausende bis ins Mittelalter:

Ware gegen Geld. Wenn aber ein Geschäftsfreund nicht gleich zahlen

konnte, musste man ihm das Geld vorstrecken, wenn man seine Sachen

trotzdem verkaufen wollte. Zwei Dinge waren Voraussetzung: Einmal

musste man daran glauben, dass der Schuldner seine Schuld wieder

zurückzahlen konnte. Daher kommt der Name Kredit (von lat. credere

= glauben). Ferner musste jemand den Vorgang aufzeichnen und von

beiden Partnern bestätigen lassen.

Ohne Buchhaltung keine Herrschaft

Das leisteten bereits die Händler des Zweistromlandes (Mesopota-

mien). Aufzeichnungen wirtschaftlicher Vorgänge gehören zu den äl-

testen Dokumenten der Menschheit, in Keilschrift auf Tontäfelchen,

lange vor Einführung der Geldwirtschaft. Irgendwann in der Ge-

schichte kam es, dass nicht nur die echten Schuldner, sondern alle Men-

FLORENZ

EIN TOSKANISCHER MÖNCH MISCHT

DIE WIRTSCHAFT AUF

„Summa de arithmetica“

Buch Luca Pacioli, 1494.

Luca Pacioli (1445 Sansepolcro -1517 Rom) war ein ital. Mathe-

matiker und Franziskaner. Bekannt ist er in den Wirtschaftswissen-

schaften, weil er 1494 als erster die doppelte Buchführung komplett

beschreibt. Porträt gemalt von Jacopo de Barbari, 1495.

Statue

Luca Pacioli

in Sansepolcro.

Foto: FotoEnit/tos

FOTOS:

Münze: Italien500Lire1994_bgvr_CC BY-SA 3.0

Statue:Statua-Luca-Pacioli-Sansepolcro_von K.Weise (Eigenes Werk) [CC

oben rechts: BY-SA 3.0 Jacopo_de'_Barbari_-_Portrait_of_Fra_Luca_Pacioli_and_an_Unknown_Young_Man_-_WGA1269

Buch: Titelbladet_till Summa de arithmetica_Stockholms Universitetsbibliotek_ CC BY 2.0

Foto: shutterstock/MaLija