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2018
Milan, gebürtiger Serbe, kam als Baby nach Deutschland. Heute fährt er die Schulgruppen
von albaTours durch Europa. Wir begleiten ihn und fragen, weshalb es schwierig ist,
gute Busfahrer zu bekommen.
Der Markt ist leergefegt
Die Expansion der Fernbusse brachte einiges in Bewegung. Jetzt
konnte man weit günstiger als mit der Bahn reisen. Garantierte Sitz-
plätze und WLAN unterwegs. Fahrten über Nacht, während die Bahn
die Nachtzüge aufs Abstellgleis verschob.
Dass der Erfolg ein anderes Problem
mit sich brachte, merkten die Gäste der
Fernbusse nur am Rande. Die Ansage des nächsten Ziels erfolgte in
recht holprigem Deutsch, dessen Sinn sich einem oft nicht erschließt.
Der Markt für Busfahrer war leergefegt und man holte die Fahrzeuglen-
ker aus entfernten Regionen wie Litauen und der Ukraine. Das bekom-
men gerade Veranstalter von Schülerreisen zu spüren. Schließlich erfor-
dert der Transport von Jugendlichen Fahrer mit Takt, Verständnis und
Geduld. Und da bei Schulfahrten nicht immer ein Trinkgeld drin liegt,
hält sich die Zahl der Busfahrer in diesem Bereich in Grenzen.
Man „schafft“ beim Daimler
In Belgrad kam Milan Pantelic´ zur Welt. Als er ein Jahr alt war,
entschlossen sich seine Eltern an den Mittleren Neckar zu ziehen.
Vater und Mutter konnten bald den stolzen Satz eines Mitarbeiters der
ältesten Autofabrik des Landes auf gut Schwäbisch verkündigen: „Mir
schaffet beimDaimler“. Und das über zehn Jahre lang mit regelmäßigen
Arbeitszeiten, guten Sozialleistungen und angemessener Bezahlung.
Als Migrant kann man kaum etwas Besseres erreichen als eine feste
Anstellung bei der Firma mit dem Stern. Und doch reizte es die Pan-
telic´s eines Tages, eigene Wege zu gehen. So zogen sie in ein Dorf weit-
ab im Schwarzwald, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Dort
in Haiterbach zwischen Horb und Freudenstadt übernahmen sie den
Gasthof Traube. Das war nicht ohne Risiko, machte doch in ländlichen
Gegenden ein Lokal nach dem anderen dicht. Doch die Küche
des Balkans kam bei den Schwarzwäldern an. Und so wechselten
die Pantelic´s in die Gastronomie.
Vom „Bund“ zum eigenen Bus
Milanbesuchte dendeutschenKindergartenunddie deutsche Schule,
und leistete – inzwischen Deutscher – bei der Bundeswehr in Speyer
seine Wehrpflicht ab.
Bei den Pionieren konn-
te man den Führerschein
für LKWs machen, und
danach befand Milan sich wieder auf einer ganz neuen beruflichen
Schiene. Der nächste Schritt war der Busführerschein und die An-
stellung als Linienfahrer. Auch wieder ein Auskommen ohne Risiko:
Sicheres Einkommen, geregelte Freizeit, keine Nachtfahrten. Doch
trotz all dieser Sicherheiten fehlte Milan die Herausforderung, die
Interaktion mit Menschen, die verantwortungsvolle
Gestaltung eines Reiseerlebnisses. Und so entschloss er
sich zum Kauf eines eigenen Busses, inzwischen kam
noch ein zweiter Bus hinzu.
Mit jungen Leuten durch Europa
Macht es Sinn, das sichere Gehalt aufzugeben und sich dem Risi-
ko eines Selbstständigen auszusetzen? Milan hat es nicht bereut. Es ist
etwas anderes, mit Lehrern und jungen Leuten auf große Fahrt zu ge-
hen. Man weiß nie, wie gut die Gruppe drauf ist, die man irgendwo in
Deutschland in den Bus lädt. Unterwegs verläuft jeder Tag anders, die
Tagesprogramme bringen immer neue Herausforderungen und Unwäg-
barkeiten.
Umso wichtiger ist, dass
die Schulklasse, die Lehrer
und der Fahrer harmonieren.
Deshalb muss schon die Ansprache stimmen. Die Gäste in den Sitzen
wollen wissen, wer in der nächsten Woche für ihre Sicherheit verant-
wortlich ist. Oft gibt es nämlich im Vorfeld ein gewisses Maß an Miss-
trauen. Weniger von den Schülern, die es gewohnt sind, dass zu Beginn
des Schuljahres ein unbekannter Lehrer in die Klasse tritt. Es sind dann
die Eltern, die um den Bus herumgehen und mit dem kleinen Gerät
des ADAC die Profiltiefe der Reifen messen. Sobald die Fahrt losgeht,
sind Eltern und Schule vergessen und alle im Bus sind darauf aus, Spaß
zu haben und schöne Erlebnisse mitzunehmen. Dazu gehört aber auch
die Ordnung im Bus. Das Wohlbefinden sinkt bei allen, wenn sich der
Müll ausbreitet.
Ordnung ist die halbe Miete
„Meistens muss ich die Reisegesellschaft nur einmal bitten, denMüll
an der nächsten Raststätte zu entsorgen“, meint Milan, „danach fühlt
sich jeder einzelne für die Sauberkeit im Bus verantwortlich“. Pflichtge-
mäß weist Milan auf
die Anschnallpflicht
hin, die eben auch für
einen Reisebus gilt.
Nur lässt sich das bei Jugendlichen schwer durchsetzen, auch die Leh-
rer schaffen das oft nicht. Schließlich wird die Interaktion und gute
Stimmung hier höher gewertet.
Gibt es ein Lieblingsziel? Das ist natürlich Kroatien, wo Milan gute
Dienste als Dolmetscher leisten kann. Doch auch mit seinen mediter-
ranen Vettern auf der Apen-
nin-Halbinsel versteht er sich.
Allerdings müsste er beim Ita-
lienischen noch zulegen.
Die Söhne von Milan haben inzwischen auch den Busführerschein
gemacht, aber sie fahren (noch) nicht für albaTours. Sie „schaffen“...
beim Daimler! Fester Job, Freizeit und so.
Partner vorOrt
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MILAN
WIE DER RAUBVOGEL
Seit wann ?
Warum Busfahrer ?
Schwierige Momente mit Schülern ?
Erfahrungen mit Lehrern ?
Sauberkeit im Bus ?
Lieblingsziele ?
Der Familienstammsitz der Grafen von
Strathmore und Kinghorn, Glamis Castle,
1372, Schottland.




